Verleugnung von Verlusten erhält seelisches Gleichgewicht

Fragen Sie sich, ob sich hinter „verwirrtem Verhalten“ vor allem der Versuch verbirgt, einen Verlust auszugleichen (und alte Menschen müssen viele Verluste verkraften!). Manchmal verleugnen die Kranken regelrecht einen Verlust, indem sie etwa erwarten, dass ein Verstorbener (z.B. Vater oder Ehemann) zu Besuch bekommt und sie deshalb für diesen den Tisch decken. Das Verleugnen der Wirklichkeit hilft ihnen dann, seelisch im Gleichgewicht zu bleiben, Kränkungen abzuwehren und das eigene Selbstwertgefühl zu erhalten.

Verwirrtheit als “Suche nach Halt” verstehen

Viele Verhaltensweisen dementer Menschen werden verständlicher, wenn man sie als “Suche nach Halt” bzw. als Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit versteht. Aus dieser Perspektive kann es zum Beispiel sinnvoll erscheinen, räumliche Nähe und Körperkontakt zum Patienten herzustellen. Wachsende Unruhe des Kranken lässt sich als Ausdruck seiner Einsamkeitsgefühle und als Kontaktwunsch interpretieren. Auch der Ruf der alten Menschen nach ihren Eltern wird verständlich, weil zu diesen Personen meist eine besonders enge Halt und Sicherheit gebende Bindung bestand. Umgekehrt überrascht es nicht, dass sich manche Demenz-Kranke wieder an den Tod der eigenen Eltern erinnern und deshalb die Suche nach ihnen einstellen, sobald sie die Nähe zu einem Betreuer spüren (sich “versorgt”, “beruhigt”, “getröstet”, “gewärmt” fühlen). Selbst das stundenlange Festhalten und Rumschleppen von Handtaschen, zerknüllten Taschentüchern und anderen Gegenständen macht als Form der “Haltsuche” Sinn. Wer im Weglaufen (“Ich will nach Hause”) die Botschaft “Ich fühle mich hier nicht zu Hause” entschlüsselt, kann neue Wege entwickeln, ein solches Verhalten möglicherweise verzichtbar zu machen.

Kindliches Verhalten als Wunsch nach Sicherheit und Geborgenheit

Versuchen Sie den Sinn auch noch so bruchstückhafter Äußerungen von Demenz-Kranken zu entziffern. Selbst hinter Schreien und ständigem Wiederholen gleicher Worte kann sich ein „Sinn“ verbergen: Vielleicht will der Kranke verhindern, dass Stille eintritt, vielleicht sucht er Kontakt oder sollen seine Redefetzen eine für ihn bedrohliche Leere füllen. Wenn sich der Kranke zunehmend „kindlicher“ verhält, so kann dies den Wunsch nach mehr Sicherheit und Geborgenheit ausdrücken (sich wieder so zu fühlen wie in früheren Lebensphasen). Vielleicht hofft der Kranke, durch seinen „Rückzug in die Vergangenheit“ wieder an früheren Fähigkeiten und Fertigkeiten anknüpfen und so gekräftigt in die Welt der Gegenwart zurückkehren zu können.